19.01.2021 | Testbericht von Jonas Barwinski zum Adidas Adizero Adios Pro, dem Carbon-Racer von Adidas

von | Jan 19, 2021 | Wissenswertes | 0 Kommentare

Liebe Läufer von Fit2Run-Beckum !
Bereits 2016 brachte Nike den ersten Laufschuh mit Carbonsohle, den „Vaporfly“ auf den Markt. Folgerichtig zog der Konkurrent Adidas nach und brachte im September letzten Jahres den Adidas Adizero Adios Pro auf den Markt.
Im Schatten der herausragenden Leistungen der Nike-Athleten in den carbonverstärkten Schuhen wurde es lange still.
Doch dann sorgte die kenianische Athletin Peres Jepchirchir für ein Ausrufezeichen.
Ihr gelang es, mit dem frischen Modell in Valencia den Weltrekord auf der Halbmarathondistanz zu pulverisieren, in sage und schreibe 1:05:34 Stunden.
Nun fragt man sich als Hobbyläufer und –zugegebenermaßen- als Laufszene-Nerd, inwiefern dieser Schuh solche Höchstleistungen beeinflusst.
Grund genug, den Schuh einmal unter die Lupe zu nehmen!

Um euch einen Eindruck  zu geben, teile ich meine Erfahrung aus gegebenem Anlass gerne.

Bevor wir zu den unmittelbar erfahrenen Eigenschaften des Schuhs kommen, hier ein paar technische Daten zum neuen Flaggschiff von Adidas.
Der Schuh wiegt laut Hersteller 225 Gramm, hat eine Sprengung (Unterschied zwischen vorderem und hinterem Teil des Schuhs) von 8,5mm und ist mit einem neu entwickelten Dämpfungsmaterial namens Lightstrike ausgestattet.
Dieses bildet gleichzeitig wohl den markantesten Teil des Schuhs, man schaue sich nur die für carbonverstärkte Laufschuhe typisch dicke Sohle an.
Im Gegensatz zum amerikanischen Hersteller bedient sich Adidas keiner durchgehenden Carbonsohle, sondern setzt auf  eine zweiteilige Technologie mit Carbonstiften (die sogenannten „Energy Rods“) und einer Carbonplatte.
Das biomechanische Argument lautet hier: Die fünf Stifte sollen die einzelnen Zehen beim Abdruck reaktiv unterstützen und für Steifheit sorgen bzw. Energieverluste durch unnötige Fußbewegungen minimieren.
Zusätzlich ist im Bereich der Ferse eine Carbonverstärkung in Form einer Platte integriert, von welcher auch Fersenläufer profitieren können.

Das Obermaterial besteht aus sehr leichtem Mesh und sorgt durch die sehr luftdurchlässige Struktur für eine gute Belüftung.
Gerade das Obermaterial mag ich an den Modellen des Herstellers sehr,  und auch hier schmiegt sich der Schuh eng an meine Fußform an.
Bleibt aus technischer Perspektive noch der Blick unter den Schuh.
Dort ist im Bereich des Vorfuß sowie der Ferse ein leichtes Gummi aufgeklebt, welches auf den ersten Blick nicht sehr viel Grip zu versprechen scheint.

Um es vorsichtig zu formulieren: Unter anderem auch einige Läufer der F2R-Trainingsgruppe wie z.B. Tim, Martin und ich, sind dem Hype um die carbonverstärkten Laufschuhe nicht entkommen.
Innerhalb unserer Crew haben Martin und ich uns für den Adizero Adios Pro entschieden. Welche Erfahrungen wir mit diesem Schuh bereits machen konnten, dazu komme ich im Folgenden.
Mein erster Eindruck fällt so aus: Angenehm, aber ungewohnt. Das führt er vor allem auf die hohe Sohle und die Verarbeitung weicher Materialien zurück. Der Schuh bringt womöglich denjenigen am meisten, die sowieso schon auf dem Mittel-, besser sogar Vorfuß laufen.
Zudem kann er seine volle Stärke meist nur auf Asphalt ausspielen, dagegen ist er schon auf Radwegen mit Splitt nicht unbedingt zuhause.
Das Fazit eines Freundes fällt folgendermaßen aus: „Mit dem Schuh kann man echt lange schnell laufen!“.

Was mich beim ersten Tragen verwundert hat, war die Verbindung der Zunge mit dem Schaft des Schuhs. Dadurch kommt man etwas beschwerlicher in den Schuh hinein, was gerade Triathleten bei ihren Wettkämpfen missfallen könnte.
Im Schuh selbst fühlt man sich, als würde man auf einem Flummi stehen.
Man spürt schon beim Stehen, dass sich unter den Zehen das Herzstück des Schuhs befindet, schon jetzt hat man Bock, schnell zu laufen.
Auch die weit verbreitete Empfindung, sofort nach vorne auf den Vorfuß zu kippen, kann ich absolut bestätigen.
Aus meiner Sicht bietet der Schuh einen enormen Tragekomfort, der durch das leichte Mesh-Material entsteht.
Ich muss zugeben, dass ich den Porsche 911 unter den Laufschuhen nicht unter Laborbedingungen gelaufen bin, das heißt bei Schnee.
Aber genauso einzigartig wie der Schnee für unsereins in den hiesigen Breitengraden ist, ist auch das Laufgefühl gewesen.
Klar ist: Mehr noch als jeder andere flache Race-Schuh hatte der Adios Pro mit der Traktion zu kämpfen. Ich habe jedoch feststellen können, dass er auf den schneefreien Stücken einen dynamischen Laufstil mit weniger Kraftaufwand ermöglicht.
An die außergewöhnliche Dämpfung werde ich mich noch gewöhnen müssen.
Die Annahme, dass der Abdruck auf dem Vor- bzw. Mittelfuß um ein Vielfaches reaktiver ist, hat sich bestätigt.
Vor allen Dingen unter dem großen Zeh sorgt das Carbon meinem Empfinden nach für eine gesteigerte Laufökonomie.
Abschließend möchte ich mir ein Urteil zum Schuh erlauben.
Ich bin sehr positiv überrascht von diesem Hightech-Produkt und schließe mich zunächst einmal dem Fanclub der Carbonschuh-Befürworter an, auch was das Preis-Leistungs-Verhältnis betrifft.
Das Preis- Leistungs- Verhältnis ist meiner Meinung nach gerechtfertigt. Mit 200 Euro ist er 75 Euro günstiger als der Carbon-Bomber Nike Vaporfly. Ein gewichtiges Argument für den Adidas dürfte auch eine von Bekannten im Vergleich zum Hersteller Nike ausgemachte, bessere Haltbarkeit der Schuhe sein.
Ich denke, dass dieses Produkt für viele Läufer unter uns eine echte Waffe darstellt.
Zum Schluss vielleicht noch ein kleiner Tipp: Nutzt in einer Trainingseinheit doch erst einen schnellen Schuh ohne Carbon-Material und absolviert die finalen Meter mit diesem Rennschlappen. Das macht Euch „fit 2 run“ und verspricht wesentlich mehr Endorphine!
In diesem Sinne: Carbon UND Laktat macht die Kombination!

Bild: Jonas Barwinski