Wir Läufer wollen uns stetig weiterentwickeln, längere Distanzen laufen, schneller laufen, neue Bestzeiten aufstellen, unsere Fitness verbessern, den Körper formen etc. Trainieren wir, kommt der Erfolg normalerweise von allein. Doch was ist, wenn die Verbesserung ausbleibt, man sich sogar trotz guten Trainings in die gefühlt falsche Richtung entwickelt? Die Ursachen können vielfältig sein, hier ein persönlicher Erfahrungsbericht von mir:

Ich laufe seit 2015 und habe mich eigentlich immer weiterentwickelt. Ich habe sowohl das Lauftempo als auch die Laufumfänge stetig gesteigert und bin immer mit ganz viel Freude gelaufen.

In diesem Jahr wollte ich den ZUT Basetrail laufen, einen 25km langen Lauf an der Zugspitze mit ordentlich Höhenmetern. Ich wollte einmal auf ein Abenteuer gehen wie der kleine Hobbit, so hatte ich mir das vorgestellt! Das Ziel war gut anzukommen, mit dem passenden Trainingsplan durchaus im Bereich des Möglichen. So startete ich Anfang des Jahres ein etwas anderes Trainingsprogramm, mehr auf Dauer als auf Schnelligkeit ausgelegt und sammelte Höhenmeter, soweit das hier bei uns möglich ist. Zugleich meldete ich mich im Sportclub Beckum an, um Kraft aufzubauen und Berganläufe auf dem Laufband zu trainieren. Jede Trainingsumstellung setzt neue Reize, der Körper muss sich neu anpassen, so funktioniert Leistungssteigerung.

Leider stellte sich dieses Gefühl bei mir nicht ein. Das ungewohnte Training im Fitness-Studio in Kombination mit mehr Läufen als zuvor fühlte sich schlecht an. Gefühlt wurde ich immer langsamer. Tempobereiche, die ich früher locker gelaufen war stellten nun eine Herausforderung dar. Ich schob diese Entwicklung auf das ungewohnte Training und lief weiter.

Dann kam Corona, der ZUT wurde abgesagt, ich trainierte wieder mehr nach Lust und Laune, Hauptsache etwas anderes sehen und laufen, laufen, laufen.

Zwischendurch beschlich mich schon von Zeit zu Zeit das Gefühl, dass irgendetwas hier so gar nicht stimmt, aber ich konnte nicht benennen, was es genau war.

Dann kam der 26. April, der Tag des Hannover Marathons. Wir hatten uns zu mehreren für den virtuellen Lauf angemeldet, ich wollte einen Halbmarathon laufen. Von einer neuen Bestzeit war ich formtechnisch meilenweit entfernt, ich wollte einen langen Trainingslauf absolvieren, nur etwas schneller als normalerweise. Ich wunderte mich wieder darüber, wie anstrengend sich das Tempo doch anfühlte und bei km 18 passierte es dann: Ich bekam keine Luft mehr. Ich war immer etwas kurzatmig gewesen, besonders bei schnellen Einheiten, für mich war das normal, aber dieses Mal war es anders, ich bekam gar keine Luft mehr. Dieses Erlebnis brachte mich dazu am nächsten Tag bei meinem Hausarzt auf der Matte zu stehen. Er machte diverse Tests, u.a. einen Lungenfunktionstest und ich bekam die Diagnose Belastungsasthma. Ausgestattet mit einem Asthmaspray, welches verhindern sollte, dass sich meine Bronchien unter Belastung verengten, lief ich weiter.

Anfangs bemerkte ich einen enormen Unterschied, so tief hatte ich noch nie beim Laufen atmen können, auch die Tempo-Läufe fielen mir nun wieder leichter. Viel schneller wurde ich trotzdem nicht, die langen Läufe fühlten sich schon bald wieder anstrengend an. Auch im Alltag bemerkte ich Veränderungen. Ging ich die Treppe hinauf, war ich außer Atem und mein Herz pochte. Das konnte nicht normal sein. Schließlich machte ich wieder einen Termin beim Hausarzt und ließ mein Blut untersuchen, außerhalb der regelmäßigen Check-Ups. Hier wurde ein weit unter der Norm liegender Eisenwert festgestellt, der bereits zu einer Blutarmut geführt hatte. Ohne Blut kein Sauerstofftransport in die Zellen, so einfach ist das. Dieser Mangel war schleichend gekommen aufgrund einer Ernährungsumstellung und so hatte ich vermutlich mehrere Monate unter Sauerstoffentzug trainiert, praktisch ein Dauer-Höhen-Trainingslager, nur ohne Kenia.  Es hatte mir nicht den Spaß am Laufen genommen, mich aber doch sehr in meinem Leistungsvermögen beschränkt.

Wie sehr, das bemerkte ich als sich meine Eisenspeicher mittels hochdosierter Eisenpräparate langsam wieder füllten. Ich hatte so viel mehr Kraft und konnte so viel schneller laufen! Erstaunlich, wie sich so ein Mangel auswirken kann. Erstaunlich auch, wie lange ein Körper einen Mangel kompensieren kann. Im Mai war ich noch meinen ersten Marathon gelaufen, langsam und am Ende mit Atemproblemen, aber ich hatte ihn ins Ziel gebracht, unvorstellbar eigentlich…

Heute fühle ich mich gut, lasse meine Blutwerte aber engmaschiger kontrollieren und habe auch in Kürze einen Termin beim Lungenfacharzt, um eine komplette Diagnostik machen zu lassen. Ich bin sehr dankbar, gesund zu sein und einfach laufen zu können. Natürlich ist es auch toll, wieder schneller unterwegs zu sein, ich konnte neue Bestzeiten über 5, 10 und 21.1 km aufstellen, aber es ist nicht das Wichtigste. In Zukunft werde ich noch genauer auf meinen Körper hören und vielleicht etwas eher zum Arzt gehen, zumindest nehme ich mir das fest vor.

Der ZUT steht immer noch auf meiner Liste, meine Anmeldung für das Jahr 2021 ist raus. Mit dem Wissen von heute bin ich zuversichtlich über den Berg zu kommen und mit einem Lächeln im Gesicht das Ziel in Grainau zu erreichen, sofern der Lauf denn stattfinden kann. Mit dem Wissen von heute glaube ich aber auch, dass ich es in diesem Jahr nicht geschafft hätte. Manchmal reicht der bloße Wille nicht aus, es wäre über meine Kräfte gegangen. Unsere Gesundheit ist das Wichtigste, das hat mir dieses seltsame Corona-Jahr 2020 eindrücklich aufgezeigt.

Deshalb achtet auf euch und lauft, so weit euch eure Füße tragen, denn Laufen ist der schönste Sport der Welt!