Benjamin Heese
Großglockner Ultra-Trail – GWT 37 km
1.600 positive und 2.300 negative Höhenmeter auf einer langen 37 km Strecke klingen mit entsprechendem Training machbar. Wenn aber steile An- und Abstiege auf technisch & hochalpine Passagen treffen und schwierige Verhältnisse wie Wind und Dauerregen dazu kommen, geht es nur darum, gesund und sicher ins Ziel zu kommen. Und das ist mir gelungen: nach 08:12 Std stand ich mit der verdienten Finisher-Medaille um den Hals im Zielbereich!
Das Ganze von vorn. Die verrückte Idee kam zustande, als klar war, dass unser Familienurlaub im Salzburger Land für Juli 2025 fest geplant war. Der Lauf lag terminlich genau passend am letzten Urlaubstag und schon war ich angemeldet für den Weißsee Gletscherwelt Trail (GWT35)! Martin hatte mir einen Plan für die Vorbereitung über mehrere Monate vor dem Start gebastelt, der insbesondere aus Long Runs mit vielen Höhenmetern und einige Einheiten auf dem Treppen-Stepper und 15% Steigungen auf dem Laufband bestand. Eine sehr herausfordernde Zeit für mich neben Beruf & Familie mit 3 Kindern.
In Österreich angekommen habe ich mich in den folgenden 1,5 Wochen gut an die Bergwelt akklimatisieren können. Dabei u.a. den 2.900 m hohen Hochkönig heraufgewandert, der mir gerade auf dem technischen Teilstück als gute Übung mehr Trittsicherheit gebracht hat und auf dem langen Abstieg die Beinmuskulatur trainierte.
Die Route des GWT ist schnell erzählt. Auf dem 1. Drittel der Strecke geht es hauptsächlich bergauf, der Rest bergab. Der Startort liegt in Enzingerboden und führt hoch über die Stationen Rudolfshütte und Kapruner Törl, dann runter zum Mooserboden und endet nach einem langen, gut laufbaren Downhill in Kaprun.
Am 25. Juli war es dann soweit. Ich habe den Busshuttle von Kaprun zum Start genommen. Um Punkt 8 Uhr ertönte der Startschuss und mit mir liefen gut 600 weitere Trailrunner los. Und der Start hatte es in sich: Es ging sofort steil hoch, 200hm auf dem ersten Kilometer! Bis zur Rudolfshütte konnte ich die Strecke gut bewältigen, das Wetter zeigte sich optimal mit teils blauem Himmel und ich genoss die tollen Ausblicke in die umliegende Berglandschaft. Für mich das Highlight im gesamten Streckenverlauf, wie sich später herausstellte. Nach der ersten von drei Getränkestationen ging es mit Stöcken nochmal kurz hoch und danach in den Downhill zum Tauernmoos. In allem laufbare Trails, hier blickte man erstmals den Kapruner Törl auf 2.639 m, die höchste Erhebung des GWT. Auf einem lang gezogenen Bergrücken bei technisch anspruchsvollem Gelände mündete die Strecke letztendlich in Serpentinen zur Spitze. Der Wind wurde stärker. Hier bekam ich erstmals Schwierigkeiten, die letzten 100 m waren brutal steil und die dünne Luft machte sich bemerkbar. Auf fast wackeligen Beinen zog ich weiter, stoppte kurz um Luft zu holen um dann den nächsten Schritt zu setzen. Auf dem Kapruner Törl gönnte ich mir eine Pause, um mich zu verpflegen und ausreichend zu trinken. Doch plötzlich veränderte sich das Wetter und der Regen setzte ein. Ein denkbar schlechter Zeitpunkt für den Abstieg runter zum Mooserboden! Der war nicht minder leichter, nur über große verblockte Felsen ging es nun auf rutschiger Strecke herunter. Für Ungeübte wie mich eine extreme Herausforderung, meine Hände musste ich teils einsetzen, um größere Unterschiede zu überwinden. Das kostete viel Zeit, aber lieber langsam und es dafür heil zur nächsten Verpflegungsstationen schaffen. Als es wieder flacher wurde, wurden die Teilnehmer durch die vom Regen nun matschigen und steinigen Passagen weiter gefordert. Hinzu gesellten sich bei mir körperliche Beschwerden, ich konnte nicht mehr viel Energie in die Beine umsetzen. Fast im Gehtempo erreichte ich die Station am Mooserbodenstausee, der letzte Cut-Off vor dem Ziel war geschafft. In der langen Pause überlegte ich, ob ich das Rennen noch fortsetzen konnte. Das Wetter und die Sicht ins Tal wurden zunehmend schlechter und ich hatte noch einen Halbmarathon vor mir. Die Probleme mit dem Magen wollten nicht verschwinden, ich aß trotzdem vom Tisch das, was mir schmeckte. Ich wusste zumindest, es ging nur noch bergab und dafür hatte ich 7 Std. Zeit bis zum Zielschluss. Ich raffte mich dazu auf und verließ die Verpflegungsstation. Auf der langen Bergkante, rechts befand sich steil unten der See, führte die schmale Strecke über den sehr schlammigen Erdboden. Die volle Konzentration war noch da und nach und nach fühlte ich mich körperlich besser. Einige Wasserfälle mussten überquert werden, die Laufschuhe waren längst durchnässt. Stellenweise gab es Seile zum Festhalten, das zeigt einmal mehr den technischen Streckenverlauf. Ein weiteres Highlight war das Hochklettern über Griffe im Felsen in einen Tunnel. Ein Segen war es immer dann, wenn ich festen Untergrund unter den Füßen spürte. Dazu zählten die letzten 7 km nach Kaprun, die entlang eines Flusses führten. Innerlich bedankte ich mich, trotz des mentalen Tiefs das Ziel fast erreicht zu haben. Angekommen konnte ich endlich lächeln, nach über 8 Std. auf den Beinen habe ich doch Großartiges geschafft!
Was bleibt mir zu dem Lauf noch hängen… Die Strecke ist sehr anspruchsvoll, die aufgrund der Wetterbedingungen mich an die Grenze gebracht hat. Die hat mir leider auch die schöne Aussicht ins Tal verhagelt, aber so kann mal die Natur sein. Die Schnellsten unter 4 Std. sind noch im Trockenen ins Ziel gekommen, die hatten sicher mehr Spaß. 😉 Wenn man sieht, dass einen Tag später auf den längeren Distanzen von 57, 84 und 110 km von den 1.500 Startern nur 8 ins Ziel gekommen sind – das Rennen wurde aufgrund extremen Windes, Regenwetters und Neuschnee in der Höhe abgebrochen – zeigt, dass der Großglockner Ultratrail nicht umsonst als eine der härtesten Trailveranstaltungen in den Alpen genannt wird. Hier ging die Sicherheit vor, ich konnte es verstehen nach meinem Lauf.